Strafverfahren wegen Fahrerflucht beendet – jetzt neuer Ärger?
Ihr Strafverfahren wegen Verkehrsunfallflucht (Fahrerflucht) ist beendet – und nun haben Sie neuen Ärger mit der Versicherung? Die Haftpflicht fordert Regress, weil Sie – angeblich – Ihre Aufklärungspflicht verletzt haben? Das passiert häufig. Diese Forderungen werden standardmäßig nach einem Verfahren wegen Unfallflucht erhoben.
Für viele kommt das vollkommen überraschend, insbesondere dann, wenn die Haftpflichtversicherung Regress fordert, obwohl das Strafverfahren eingestellt wurde. Das belastende Strafverfahren ist endlich vorüber, womöglich zahlt man sogar noch an der Geldstrafe, und dann liegt – Wochen oder Monate nach Abschluss der Sache – die nächste böse Überraschung im Briefkasten: Die eigene Haftpflichtversicherung meldet sich und fordert die an den Unfallgegner gezahlten Schadensersatzansprüche zurück. Hier etwa der Textbaustein, den die Allianz-Versicherung verwendet:
„Wir müssen Ihnen heute leider eine unangenehme Mitteilung machen: Nach den amtlichen Ermittlungsakten haben Sie sich unerlaubt vom Unfallort entfernt und damit Ihre vertragliche Pflicht verletzt, alles zu tun, was zur Aufklärung des Tatbestandes und zur Minderung des Schadens dienlich sein kann. Sie haben damit eine Pflicht nach den AKB grob fahrlässig verletzt … und so weiter … und so weiter …“
Standardschreiben der Allianz bei der Geltendmachung von Regress
Wichtig: Nicht ungeprüft zahlen!
Aus meiner Praxis als Fachanwalt, der häufig gegen den Vorwurf der Unfallflucht verteidigt und deshalb auch mit den sich anschließenden Regressforderungen bestens vertraut ist, weiß ich, dass die Forderungen der Versicherung nicht immer zu Recht erhoben werden. Oft lassen sich die Ansprüche mit einem Anwaltsschreiben abwehren. Häufig ist die Rechtslage alles andere als eindeutig, und zwar selbst dann, wenn im Strafverfahren die Straftat zweifelsfrei festgestellt wurde, zum Beispiel durch einen Strafbefehl wegen Unfallflucht oder sogar durch ein Urteil. Und manchmal sind die Forderungen der Versicherung so fernliegend, dass man den Eindruck hat, der Sachbearbeiter bei der Versicherung hat sich gesagt: „Versuchen wir es mal.“ Es lohnt sich deshalb, die Sach- und Rechtslage vom Anwalt prüfen zu lassen, bevor man zahlt. Vor allem, weil eine erste Einschätzung kostenlos ist.
Kurzes Video zum Regress (01:09)
Was hat es mit dem Regress der Haftpflicht nach der Fahrerflucht auf sich?
Um zu verstehen, was es mit dem Regress der Haftpflichtversicherung auf sich hat, muss man sich den Unterschied zwischen dem Innenverhältnis und dem Außenverhältnis in den vertraglichen Verhältnissen klarmachen. Was Juristen damit meinen, ist schnell erklärt: Nach einem Unfall stehen sich Unfallverursacher zusammen mit seiner Versicherung einerseits und der Unfallgegner andererseits gegenüber. Das Verhältnis zwischen Versicherung und Versicherungsnehmer-Unfallverursacher wird als Innenverhältnis bezeichnet, das Verhältnis der beiden zusammen zum Unfallgegner als Außenverhältnis:
Anspruchsverhältnisse beim Regress der Haftpflicht nach Fahrerflucht:
Für den Schaden haften Unfallverursacher und sein Versicherer als Gesamtschuldner (§ 115 Abs. 1 S. 4 VVG). Die Versicherung ist im Außenverhältnis – also gegenüber dem Unfallgegner – verpflichtet, den Schaden zu regulieren, weil der Unfallgegner auch einen direkten Anspruch gegen die Versicherung hat (§ 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG). Die Versicherung kann gegenüber dem Unfallgegner nicht einwenden, dass sein Versicherungsnehmer vertragliche Pflichten verletzt hat (§ 117 Abs. 1 VVG). Im Außenverhältnis spielt es deshalb keine Rolle, dass der Versicherungsnehmer eine Unfallflucht begangen hat (oder etwa eine Trunkenheitsfahrt). In der Praxis wird die Versicherung also den Schaden des Unfallgegners regulieren, wenn die zivilrechtliche Frage des Verschuldens geklärt ist – was in Fällen der Verkehrsunfallflucht in der Regel der Fall ist.
Regress im Innenverhältnis
Im Innenverhältnis ist das anders. Hier kann sich die Versicherung das, was sie im Außenverhältnis gezahlt hat, beim Versicherungsnehmer zurückholen, wenn er seine vertraglichen Pflichten seinem Versicherer gegenüber verletzt hat (§ 426 BGB). Das geht zwar nicht unbegrenzt, aber immerhin bis zu einem Betrag von 2.500 €, in schwerwiegenden Fällen sogar bis zu 5.000 € (§ 6 KfzPflVV). Die Versicherung greift also nach Regulierung des Unfallschadens auf den Versicherungsnehmer zurück – das Ganze wird auch als Regress bezeichnet.
Faktisch kein Versicherungsschutz nach einer Verkehrsunfallflucht
Faktisch bedeutet das in den meisten Fällen der Verkehrsunfallflucht, dass Sie rückwirkend keinen Versicherungsschutz haben und den verursachten Schaden selbst zahlen müssen. Es sei denn, es gelingt Ihnen oder Ihrem Anwalt, die Ansprüche abzuwehren. Das ist in vielen Fällen möglich, weil die Versicherungen die Einzelfälle nicht prüfen, sondern standardmäßig Regress fordern. Sie möchten eine Einschätzung für Ihren Fall? Vereinbaren Sie eine kostenlose Beratung!